Ich denke, jeder BVB-Fan ist froh, wenn die Saison vorüber ist. Und dann? Vermutlich geht es genauso weiter. Ich verstehe es nicht. Kein Verein in Deutschland – abgesehen vom FC Bayern München – hat ein solches Potenzial und so gute Voraussetzungen, sich dauerhaft als Spitzenmannschaft zu etablieren. Und doch weiß man immer nur eins: dass man sich darauf nicht verlassen kann.

Mir fehlt die Entwicklung dieser Mannschaft – und das schon seit Jahren. Ja, man schafft es immer wieder zu begeistern, und der Run in der vergangenen Champions-League-Saison bis ins Finale hat sicherlich dazu beigetragen, dass man geneigt ist, nicht alles zu scharf zu kritisieren. Aber das sollte man. Der Verein bekommt einfach keine Konstanz hin. Es nur auf die Spieler zu schieben und sie allein verantwortlich zu machen, ist mir viel zu einfach. Glaubt ihr ernsthaft, den Profis macht das selbst Spaß oder sie performen absichtlich schlecht? Natürlich gibt es Ausnahmen – diese sind jedoch nicht die Regel. Die Spieler sind Wettkämpfer und wollen sich mit den Besten messen und diese immer wieder besiegen. Das treibt einen Spitzensportler an und macht mehr Spaß, als in der Belanglosigkeit zu versinken.

Wir alle haben den BVB im Sommer noch für seine Transferperiode gelobt. Man hat sich namentlich verstärkt, nicht nur Talente verpflichtet, sondern auch gestandene Spieler, die jahrelang bewiesen haben, dass sie auf diesem Niveau bestehen und einen Impact auf das Spiel haben können. Nuri Sahin gelang es allerdings nicht, die Entwicklung der Mannschaft positiv zu gestalten und musste vorzeitig die Bühne verlassen. Trotz Vereinsikone und größtem Rückhalt der Clubverantwortlichen war es leider kein „Perfect Match“ zwischen dem Coach und seinem Herzensverein. So ehrlich muss man sein.

Allerdings muss man da vor allem die Verantwortlichen klar hinterfragen. Wo ist die Philosophie? Welche Spielidee verfolgen wir? Und was benötigt unser Trainer, um diese auch umzusetzen? Da fehlt mir die Sicht und der Plan für ein langfristiges Konzept. Es ist die eine Sache, dem Trainer kurzfristig die volle Macht über die sportliche Vision zu geben. Aber es ist eine andere, das übergeordnete Konzept dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Letzteres ist entscheidend – denn wir wissen: Egal, wie gut es läuft, es kann sich schlagartig ändern, und man steht wieder vor einem Neuanfang. Der Trainer sollte immer eine gewisse Freiheit haben, seine Spielidee umzusetzen. Aber er sollte diese so anpassen, dass sie mit dem Vereinskonzept stimmig ist. Nur das schafft eine Basis für nachhaltigen Erfolg.

Es wirkt teilweise so, als würde man sich die Namen des Kaders anschauen und bei Betrachtung der individuellen Qualität zufrieden sagen: Irgendwie wird’s schon. In der Vergangenheit hat das oft gereicht. Man hatte immer wieder absolute Ausnahmespieler in den eigenen Reihen, die den Unterschied gemacht haben. Halten konnte man solche Spieler leider nicht, aber immerhin wurde man für deren Entwicklung gut entlohnt. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn man mit dieser Rolle zufrieden ist und das der Weg ist, den der Verein gehen möchte. Nur dann muss man sich vom Anspruch verabschieden, die zweite Kraft in Deutschland zu sein. Alles eine Frage der Kommunikation.

Ich weiß, das Verletzungspech hat auch vor dem BVB nicht haltgemacht, aber das ist für mich keine Ausrede. Der Verein plant mit einem längeren Verbleib in drei Wettbewerben, und genau dafür haben solche Mannschaften einen größeren und breiteren Kader. Solche Probleme muss man auf diesem Niveau einkalkulieren. Vielmehr ist für mich entscheidend, dass man zu viele Spieler ihrer besten Positionen beraubt und sie nicht zum Spielsystem passen. Das kann man bei ein, zwei Spielern machen, um das Konstrukt der Mannschaft zu stärken – aber nicht bei so vielen. Es gibt zu viele Positionsveränderungen, die Spieler können ihre Stärken nicht einbringen und verlieren von Spiel zu Spiel das Selbstvertrauen. Bestes Beispiel: Marcel Sabitzer. In der vergangenen Rückrunde war er eine große Stütze und Aktivposten. Diese Saison fehlt ihm die Bindung zum Spiel – und in der aktuellen, entscheidenden Phase konnte er aufgrund eines Innenbandrisses im Knie nicht mitwirken.

Heutzutage wird beim Scouting jeder Wert akribisch erfasst. Ganze Profile entstehen, die sich über Monate, manchmal Jahre, vertiefen. Da sollte es niemanden überraschen, dass ein Pascal Groß nicht der schnellste Spieler ist und keiner, der in der Defensivarbeit durch das Ablaufen von Gegnern auffällt. Man wusste genau, welche Qualitäten man bekommt – und hat sich bewusst für ihn entschieden. Wieso aber setzt man ihn dann nicht auf seiner besten Position ein? Dann kann ich mich hinterher auch nicht beschweren, dass die Leistung ausbleibt. Wenn man eine andere Spielidee verfolgt und ein Spieler nicht dazu passt, darf ich ihn nicht verpflichten. Wenn doch, muss der Trainer sein System anpassen und dessen Stärken zur Geltung bringen. So viel zum Thema Vereinskonzept.

Ein kurzer Blick nach Leverkusen zeigt, was möglich ist, wenn man eine klare Spielidee verfolgt – und genau dafür die passenden Spieler verpflichtet.

Der Verein hat jedenfalls reagiert und Niko Kovac verpflichtet, um die beschädigten Eisen aus dem Feuer zu holen. Kovac kann jetzt nur versuchen, die Saison halbwegs zu retten und doch noch die Champions-League-Plätze zu erreichen. Aktuell sieht das vielversprechend aus. Er konzentriert sich auf ein System und einen festen Stamm. Das gibt der Mannschaft – und jedem Einzelnen – Sicherheit und Selbstvertrauen zurück. Ein Denkmal braucht man ihm bei erfolgreicher Qualifikation aber nicht bauen. Mit diesem starken Kader ist das kein Wunder. Die Konkurrenz spielt ebenfalls wenig konstant und lässt Punkte liegen.

Ich mag Niko Kovac. Aus der Ferne wirkt es so, als könne er gut mit unterschiedlichsten Charakteren arbeiten und weiß, diese zu führen. Er steht für klare, strenge Führung – und auf dem Platz hat man sich dieser unterzuordnen. Es scheint, als ob er zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Ich weiß allerdings nicht, ob das ausreicht, um langfristig an der Seitenlinie des BVB zu bleiben. Sein Stil und der Fußball, den er spielen lässt, sind eher pragmatischer Natur. Wille, Leidenschaft und Kampf sind entscheidende Eckpfeiler. Für spektakulären, kreativen Offensivfußball steht er eher nicht. Wobei ich nie verstehe, wieso man diese Attribute immer wieder betonen muss – für mich sind sie das absolute Minimum, ganz gleich bei welcher Spielidee.

Die Gerüchteküche brodelt: Wenn man beim BVB anfangs noch skeptisch gegenüber Kovac war, versucht man nun, ihn langfristig zu binden. Lose Anfragen gibt es bereits aus anderen Ligen. Unter anderem soll Tottenham Hotspur an einer Verpflichtung interessiert sein. Seine Erfolge stärken jedenfalls seine Verhandlungsposition – und Kovac sitzt derzeit am längeren Hebel.

Ich würde allerdings einen anderen Namen ins Spiel bringen: Cesc Fabregas. Der Spanier überzeugt mit Como in der Serie A und wird ebenfalls mit vielen Topklubs in Verbindung gebracht.

Zugegeben – ich habe ein Faible für spanische Trainer. Sei es Xabi Alonso, Luis Enrique oder – nicht zu vergessen – Pep Guardiola. Die Art, wie sie Fußball denken und sehen, die Spielfreude, die ihre Mannschaften ausstrahlen: Das hat für mich „Perfect Match“-Potenzial mit dem BVB. Und ich bin mir sicher, dass der Name Cesc Fabregas auch in Dortmund schon auf dem Zettel steht.

Also: Wenn wir uns auf eines verlassen können, dann darauf, dass die nächsten Wochen rund um Borussia Dortmund spannend bleiben. Ich drücke die Daumen und hoffe auf Besserung. Ganz gleich, ob es mit Niko Kovac weitergeht oder man sich zwangsweise für einen anderen Coach entscheiden muss. Denn der Verein hat enormes Potenzial – und ein starker BVB ist nicht nur für Dortmund-Fans wichtig. Das tut der gesamten Bundesliga gut.

Startet gut in die neue Woche.

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