Um es in Pep’s Worten einzuleiten: Top, top, top!

Es ist die eine Sache, an die Weltspitze zu gelangen. Das ist schon eine ganz besondere Leistung und verdient immer wieder den größten Respekt. Immer wieder gibt es unvorhersehbare Ausreißer nach oben – und plötzlich spielt man um Titel und versucht mit aller Macht, diese Position zu verteidigen und zu bestätigen. Es gelingt aber den wenigsten, eine Garantie für Erfolg zu schaffen. Viel schwieriger ist es, den Verein und die Mannschaft Jahr für Jahr aufs Neue auf diese Qualität einzuschwören. Uli Hoeneß kann ein Lied davon singen.

Es geht hier aber nicht um den FCB aus Süddeutschland. Wir ziehen heute etwas weiter in den sonnigen Süden – in die Hauptstadt der Taschendiebe und das Zuhause des katalanischen Weltvereins: dem FC Barcelona.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass der spanische Riese so schnell wieder von der Spitze grüßt. Zu groß schien mir das Chaos rund um den Club und die hohe Verschuldung in den letzten Jahren. Was hat man nicht alles versucht, um auf jedem erdenklichen Wege Geld zu generieren und irgendwie die leeren Kassen wieder aufzufüllen. Ob einzelne Rasenstücke aus dem Camp Nou oder auch Hochzeiten – Clubpräsident Joan Laporta versuchte, alles zu verkaufen, was nur ging. Kreativ auf jeden Fall. Es fehlte nur noch, dass man Facetime-Anrufe mit den Spielern buchen konnte. Wäre sicherlich ein Kassenschlager geworden.

Barcelonas letzte goldene Generation war ein Musterbeispiel für Weltklasse. Sie war der Maßstab – und hat diesen auch gesetzt. Das einzige Problem, das man als Club hat, wenn man solch eine Mannschaft innehat: Du kannst sie nicht eins zu eins ersetzen. Und du weißt nicht mal, ob das überhaupt möglich ist. Über Messi brauchen wir nicht reden. Aber ein Xavi, Iniesta, Busquets, Puyol, Dani Alves – sie haben diesen Fußball geprägt und waren über viele Jahre hinweg das Herzstück. Daher war es für mich nicht überraschend, dass danach erst einmal eine unbeständigere Zeit kommen und es hier und da auch mal Probleme geben würde. Und die Clubverantwortlichen verloren sich im Versuch, das Alte zu kopieren. Zu präsent waren all die großen Spieler und ihre Qualitäten. Man schlug einen Weg ein, von dem man sich heute noch erholen und brav seine Schulden tilgen muss. Vielleicht schaute man auch mal zu gierig nach Madrid und dachte sich, dass man mit viel Geld schnell das nächste Dreamteam aufbauen kann. Der Ausgang ist bekannt: dreistellige Millionentransfers floppten. Weder Coutinho, Griezmann noch Dembélé konnten ihr volles Leistungsvermögen bei der Blaugrana abrufen. Dabei wäre der richtige Weg doch so kurz gewesen – nur ein paar Schritte über das Vereinsgelände.

La Masia heißt die Antwort. Und ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: La Masia ist das beste Nachwuchsprogramm der Welt. Was brauchte es noch dazu? Richtig – einen angezählten Hansi Flick. Gerade in Deutschland waren viele Leute misstrauisch, ob Hansi Barcelona kann. Die Antwort hätte nicht deutlicher ausfallen können: Und wie er das kann!

Doch was macht diese Symbiose so perfekt? Zum einen die ausgebildeten Nachwuchsspieler – zum anderen einen Menschenflüsterer, der einfach genau weiß, wie er seiner Mannschaft und jedem einzelnen Spieler Selbstvertrauen geben kann. Dass Barcelona komplett klamm war und absolut kein Geld für glitzernde Transfers hatte, spielt da natürlich auch mit rein – aber es war nur eine kleine Hilfe, um die richtigen, mutigen Entscheidungen zu treffen. Dann kommt halt kein großer Star, sondern ein paar blutjunge Jugendspieler aus dem eigenen Stall, die ab 22 Uhr noch auf den Zapfenstreich warten. Was soll schon schiefgehen?

Vielleicht: die Gefahr, binnen kürzester Zeit wieder gefeuert zu werden, weil man trotz Umbruch und Mannschaftsaufbau dennoch den Anspruch hat, um die Meisterschaft zu spielen – und ebenfalls in der Champions League abliefern soll. Ganz gleich, wie schlecht es drumherum aussieht und was es alles für Nebengeräusche gibt: Es ist immer noch der FC Barcelona. Und der Anspruch wird niemals geringer sein als das Maximum – egal, ob realistisch oder nicht. Hansi Flick hat diese Aufgabe mit Bravour bestanden und die Zweifler komplett verstummen lassen – ja, sogar zu Fans gemacht.

Der Saisonstart war holprig, und es gab auch immer wieder Rückschläge. Als ich die ersten Spiele intensiver verfolgte und die taktische Ausrichtung der Mannschaft sah, dachte ich mir nur eins: wild! Eine Viererkette, die auf Höhe der Mittellinie von der 1. bis zur 90. Minute auf Abseits spielt, sieht man auf diesem Niveau auch nicht allzu oft. Das kann nicht gut gehen.

Monate später, im Halbfinal-Rückspiel gegen Inter Mailand im San Siro, läuft die 88. Minute bei 3:2-Führung der Katalanen. Man hätte sich nur noch hinten reinstellen und das Ergebnis irgendwie über die Zeit retten müssen, um das Finale zu sichern. Nicht mit diesem Barcelona. Man spielte immer noch aktiv auf Abseitsfalle – und so fing man sich noch den Ausgleich. Der Ausgang ist uns allen ebenso bekannt. Viele dachten: Warum nur? Selbst schuld.

Aber das Learning aus solchen Situationen ist immens. Viele unterschätzen diesen Punkt, weil sie nur den schnellen, kurzfristigen Erfolg vor Augen haben – und die wenigsten an morgen oder übermorgen denken. Hansi Flick bleibt seiner Spielidee treu, die Mannschaft ist darauf getrimmt – und es entwickelt sich womöglich eine neue Ära. Man passt sich nicht dem Gegner an. Man spielt weiter seine Stärken aus und vertraut auf diese. Nur so kann sich dieser Stil entwickeln – und zu einer Selbstverständlichkeit werden. Es kommt nicht von ungefähr, dass man Rückstände spielend leicht binnen kürzester Zeit egalisiert. Der Trainer wird sich diesem Risiko schon ganz bewusst sein. Ich vermute, dass es ganz einfach an fehlender Erfahrung liegt, sich gezielt hinten reinzustellen – und somit die Mannschaft eher zu passiv agiert und mehr Schwächen als Stärken offenbart werden. Das ist jedoch etwas, das man trainieren wird – und das mit der gesammelten Praxis kommt. Und wie heißt es so schön: Angriff ist die beste Verteidigung.

Vom Umgang mit den eigenen Talenten können sich eigentlich alle Vereine eine Scheibe abschneiden. Das bekannte Problem ist nämlich: Man kann von einem solch jungen Spieler nicht erwarten, dass er dir jedes Spiel über die Saison eine stabile Qualität liefert. Leistungsschwankungen sind das Normalste der Welt in dem Alter – und das gehört dazu. Die ganz entscheidende Sache ist nur: wie man damit umgeht. Ich werde jedes Mal sauer, wenn einem Talent in einem wichtigen Spiel ein Fehler unterläuft oder er nicht performt – und anschließend rasiert wird. Genau so macht man Talente kaputt. Diesen Jungs muss man Fehler zugestehen und sie danach aufbauen und weiter fördern. Nur so kann man wachsen und den nächsten Schritt machen. Genau das ist Hansi Flicks Stärke.

In wie vielen Spielen konnte ein Lamine Yamal nicht glänzen oder ist mal eher abgetaucht – aber Flick weiß: Es braucht nur eine Aktion, und er kann das Spiel entscheiden. Dieses Vertrauen spürt der Spieler ganz genau – und das gibt ihm die nötige Sicherheit, in schwierigen Situationen immer weiter an sich zu glauben. Ohne Selbstvertrauen geht es nicht. Das kann dir jeder Sportler bestätigen.

Dieser Umgang macht Hansi Flick so verdammt wertvoll. Das hat er auch schon beim FC Bayern unter Beweis gestellt – und kurzerhand das Sextuple eingefahren, mit einer zuvor stark verunsicherten Mannschaft. Denn nicht nur Talente profitieren von seiner Art. Auch gestandene Spieler, die anfangs stark in der Kritik standen und den Verein verlassen wollten, zahlen es ihm zurück. Bestes Beispiel: Raphinha. Der Flügelstürmer spielt seine beste Saison der Karriere und hat sich zu einem Weltklasse-Spieler entwickelt – dank Flick.

Es ist ja auch nicht so, dass es nur Lamine Yamal im Kader der Katalanen gibt. Schaut man nur auf die Geburtstage der Spieler, würde man eher eine U23-Mannschaft vermuten. Das ist beeindruckend – und schafft dem ganzen Verein ein ganz neues Fundament für die Zukunft. Jeder einzelne Marktwert steigt von Spiel zu Spiel – und ganz nebenbei wird das Team immer eingespielter. Schon fast angsteinflößend, wenn man da an die Zukunft denkt.

Chaos, Schulden, La Masia – und Hansi Flick. Was Besseres hätte dem FC Barcelona nicht passieren können.

Grüße gehen raus an alle Culers – Adiós amigos!

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